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Bibó, István (1911–1979)
Sein Vater war Ethnologe und Bibliothekar an der Universität Szeged. Ab 1929 studierte er Jura in Szeged, danach mit staatlichem Stipendium 1933-34 in Wien, 1934-35 in Genf. Seit Juni 1938 war er Notar beim Gericht, seit November dieses Jahres arbeitete er im Justizministerium. 1937 nahm er an der Formulierung der Programmproklamation der sog. Märzfront teil. Während der deutschen Besatzung schrieb er Schutzbriefe für seine jüdischen Mitbürger, womit er viele Menschenleben rettete. Am 16. Oktober 1944 wurde er von den Pfeilkreuzlern verhaftet. Nach einigen Tagen wurde er freigelassen, danach lebte er in Illegalität. Ab Februar 1945 nahm er auf die Bitte von Ferenc Erdei ein Amt in dem Innenministerium der Provisorischen Nationalregierung an. Zwischen dem März 1945 und Juli 1946 war er Abteilungsleiter und arbeitete zusammen mit Ferenc Erdei an der Reform des Komitatensystems. Er nahm an der Vorbereitung des Wahlgesetzes und der Wahlen teil. In der innenpolitisch sehr gespannten Zeit publizierte er seinen viel umstrittenen Artikel „Die Krise der ungarischen Demokratie”. Er protestierte gegen die Vertreibung der Ungarndeutschen. 1946 wurde er Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Er hielt Vorlesungen an der Universität Szeged, ab 1950 war er dort Bibliothekar. Zwischen 1946 und 1949 war er zuerst Mitarbeiter, dann Vorsitzender des „Osteuropäischen Institutes”. Während der Revolution im Jahre 1956 war er als Delegierter der neuorganisierten Nationalen Bauernpartei Staatsminister. Anfang Dezember führte er Verhandlungen mit K. P. S. Menon, dem Botschafter Indiens, und überreichte ihm die „Deklaration über die Grundprinzipen der staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung Ungarns, und den Weg zur politischen Entfaltung”. Im Frühjahr 1957 formulierte er seine Studie „Ungarn und die Weltsituation”, die in London erschien. Im Mai 1957 wurde er verhaftet, und zum lebenslänglichen Gefängnis verurteilt. 1963 wurde er mit Amnestie freigelassen. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Bibliothekar, ordnete seine Werke, nahm kleinere Arbeiten an. 1976 erschien in London sein Werk „Die Lähmung der internationalen Staatsgemeinschaft und deren Arznei”. Drei Jahre später starb er. Sein Begräbnis bedeutete den ersten offenen Auftritt der Opposition. |
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