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Kéthly, Anna (1889–1976)
Eine der ersten großformatigen Frauenpolitiker der Geschichte der ungarischen Politik, begann ihre öffentliche Laufbahn 1917 als Beamtin des Landesverbandes der Privatbeamten, und wurde später auch Vizevorsitzende des Verbandes. Nach dem Sturz der Räterepublik, ab Ende 1919 schloss sie sich der Arbeit der Sozialdemokratischen Partei an, war als eine der Leiterrinnen der Frauenbewegung unter anderem Mitglied des Zentralen Frauenorganisationsausschusses, und versah nebenbei die Redaktionsaufgaben des Blattes „Nőmunkás” (Arbeiterin). Ab Anfang der 1920er Jahre erschienen ihre Artikel regelmäßig in der Zeitung Népszava (Volksstimme) und in den „Szociáldemokrata Füzetek“ (Sozialdemokratische Blätter), sie trat 1920 auch offiziell in die Partei ein. Sie propagierte auf die unterrichtspolitischen Forderungen der Räterepublik bauend die Einführung des 4 Klassen-Mittelschulensystems, das auf die 8 Klassen Grundschule basierte. Sie erkämpfte sich mit ihrem agilen und selbstbewussten Auftreten bis zu dieser Zeit bereits ein hohes Ansehen im politischen Leben. Von 1922 bis 1948 war sie als Landtagabgeordnete ständig Mitglied der Leitung der Sozialdemokratischen Partei. In ihren politischen Studien, die in den „Szociáldemokrata Füzetek” (Sozialdemokratische Blätter”) und im „Szocialista Tudás Könyvtára” (Bibliothek des Sozialistischen Wissens) erschienen waren beschäftigte sie sich mit sozialen Fragen. Sie erkannte die Fehler der Volksfrontpolitik der Kommunistischen Partei, und betonte die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der bürgerlichen Opposition und der Sozialdemokraten. Sie wurde nach 1945 immer mehr mit einigen Mitgliedern ihrer Partei konfrontiert, die mit den Kommunisten kollaborierten. Sie war gegen die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien im März 1948, wofür sie aus der Partei ausgeschlossen wurde. Sie wurde 1949 anlässlich der Schauprozesse verhaftet, und als „Dienerin der Imperialisten” zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurteilt. Sie wurde erst 1954 durch eine Amnestie befrei, als der Reformflügel der Kommunisten vorstößt. Im Oktober 1956 nahm sie aktiv in der Reorganisation der Sozialdemokratischen Partei teil, und wurde sogar beim Einmarsch der sowjetischen Truppen Staatsminister in der zweiten Regierung von Imre Nagy. Im November 1956 besuchte sie die II. Internationale in Wien und kehrte bis zu ihrem Tode nicht mehr nach Ungarn zurück. Sie ließ sich in Belgien nieder, wo sie sich der Bewegung der Emigration anschloss und Vorsitzende des (so genannten) Ungarischen Revolutionsrates wurde. Ab 1957 redigierte sie sieben Jahre lang die in London erscheinende Népszava (Volksstimme). István Bibó betrachtete sie als die einzig legitime Vertreterin der Imre Nagy-Regierung im Ausland. Sie starb am 7. September 1976 in Blankenberghe (Belgien). |
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